Geschichte

Die Gründung der Bibliothek erfolgte auf dem Höhepunkt der reformatorischen Bewegung in Augsburg, als zu Beginn des Jahres 1537 der katholische Gottesdienst verboten wurde und fast alle Geistlichen, Mönche und Nonnen, die sich nicht der städtischen Obrigkeit unterwerfen wollten, ausgewiesen wurden. In diesem Jahr erhielt der Rektor des 1531 bei dem Karmeliterkloster St. Anna gegründeten Gymnasiums, Sixt Birck, den Auftrag, die Bibliothek des Klosters, dessen Besitzungen und Einkünfte die Mönche dem städtischen Heilig-Geist-Spital übertragen hatten, zu sichern. Unter den von der Stadt übernommenen Büchern befanden sich zahlreiche Inkunabeln und Frühdrucke, die der berühmte Drucker Erhard Ratdolt und der Verleger Johannes Rynmann dem Kloster geschenkt hatten. Die anderen kirchlichen Bibliotheken, darunter die des Domkapitels und des Benediktinerklosters St. Ulrich und Afra als die beiden ältesten und bedeutendsten, blieben dagegen unangetastet. Die zunächst im ehemaligen Karmeliterkloster St. Anna verbliebene Stadtbibliothek kam 1544 in das Dominikanerkloster und wurde 1548 nach der Rückkehr der Dominikaner im Barfüßerkloster untergebracht. Während der Unterbringung der Bibliothek im Dominikanerkloster kam es zu einer teilweisen Vermischung der Bestände, so dass Bücher der Stadtbibliothek in die Klosterbibliothek gelangten und umgekehrt. 1563 wurde im Annahof ein Neubau, der erste freistehende, selbständige Bibliotheksbau der Neuzeit in Deutschland, fertiggestellt, in dem die Stadtbibliothek für 330 Jahre bis 1893 beherbergt bleiben sollte.

Der Magistrat war von Anfang an bestrebt, die neugegründete Bibliothek zu einer bedeutenden Einrichtung der Stadt auszubauen. Noch im Gründungsjahr erhielt sie einen Etat für die Anschaffung neuer Werke auf der Frankfurter Buchmesse. Aufsehen erregte der Kauf von 100 griechischen Handschriften 1543/44 in Venedig von dem aus Korkyra vertriebenen Kaufmann Antonios Eparchos. Nach der Fertigstellung des Neubaus der Stadtbibliothek im Jahre 1563 gelang es dem bedeutendsten Gelehrten unter den Augsburger Stadtbibliothekaren, dem Philologen und Begründer der Byzantinistik Hieronymus Wolf (1516-1580), die Bibliothek zu einer wissenschaftlichen Einrichtung von Rang auszubauen, sodass sie nach der Wegführung der Heidelberger Palatina nach Rom für die bedeutendste deutsche Bibliothek gehalten wurde. Den eindrucksvollen Reichtum der Bibliothek macht der 1600 gedruckte Gesamtkatalog deutlich, der erste einer deutschen öffentlichen Bibliothek und der zweitälteste gedruckte Bibliothekskatalog in Europa nach dem der Universitätsbibliothek Leiden von 1595 überhaupt. Eine außerordentliche Bereicherung erfuhr die Bibliothek, als ihr der gelehrte Mäzen, Geschichtsschreiber und Stadtpfleger Marcus Welser (1558-1614) Teile seiner wertvollen Privatbibliothek vermachte.

Mit Beginn des Dreißigjährigen Krieges blieben die Mittel für Ankäufe aus. Nach dem Westfälischen Frieden gelang es dem Stadtbibliothekar Matthias Wilhelm 1650, wieder einen Ankaufsetat durchzusetzen. 1677 erhielten die Augsburger Drucker und Verleger durch ein Ratsdekret die Auflage, ein Exemplar von jedem Buch an die Stadtbibliothek abzuliefern. In den letzten Jahrzehnten des 17. Jhs wuchs der Bestand beträchtlich. 1742 wurde die Handbibliothek der Ratskonsulenten der Stadtbibliothek einverleibt. Der letzte Künstler der großen Künstlerfamilie Kilian, Georg Christoph Kilian (1709-1781), vermachte der Stadtbibliothek seine umfangreiche Sammlung von Kupferstichen, vor allem von Mitgliedern seiner Familie. Sie bildete den Grundstock der graphischen Sammlung, die heute rund 18.000 Blätter umfasst.

Den tiefsten und wichtigsten Einschnitt in der Geschichte der Stadtbibliothek seit ihrer Gründung stellte die Säkularisation von 1802/03 zusammen mit der Mediatisierung der Reichsstadt Augsburg 1805/06 dar. Nach dem Übergang an Bayern kam 1806 eine Kommission nach Augsburg, die aus den Klosterbibliotheken und auch aus der Stadtbibliothek selbst wertvolle Handschriften, Inkunabeln und Frühdrucke aussuchte und in die Hofbibliothek nach München bringen ließ. Zum Ausgleich wurde Augsburg Sitz einer schwäbischen Provinzial- oder Kreisbibliothek. Die Bücher aus Augsburger Klosterbibliotheken, die seit 1808 im ehemaligen Kloster den Unbeschuhten Karmeliter untergebracht waren, wurden daraufhin 1811 in das städtische Bibliotheksgebäude überführt. Aus dem Benediktinerkloster St. Ulrich und Afra kam dabei der größte und bedeutendste Anteil. Die Bibliothek des Jesuitenkollegs St. Salvator verdankte ihre herausragende Bedeutung der 1718/19 in sie eingegangenen Büchersammlung des Humanisten Konrad Peutinger (1465-1547), der eine der umfangreichsten Gelehrtenbibliotheken seiner Zeit besaß. Ungeschmälert der Stadtbibliothek einverleibt wurde die an Größe und Qualität der Bibliothek des Jesuitenkollegs gleichkommende Bibliothek des Protestantischen Kollegiums bei St. Anna. Besonders wertvolle Bestände darin stammen aus dem Nachlass von Andreas Beheim d. Ä. (1530-1612) aus der Nürnberger Glockengießerfamilie.

Eine große Bereicherung erfuhr die neue Kreis- und Stadtbibliothek, als 1817 aus der Eichstätter Kreisbibliothek wertvolle Bestände nach Augsburg gelangten. Unter den mehreren tausend Bänden aus Eichstätter Bibliotheken und dem Stift Rebdorf ragen besonders die z. T. prachtvollen Drucke aus der Fürstbischöflichen Hofbibliothek heraus. Erst 1818 fiel eine Entscheidung darüber, was mit den Bibliotheken der ostschwäbischen Stifte Irsee, Roggenburg, Ottobeuren, Ursberg und der Hof- und Stiftsbibliothek in Kempten geschehen sollte. Der Stadtbibliothekar Daniel Eberhard Beyschlag erhielt den Auftrag, die kostbarsten und brauchbarsten Werke auszusuchen und nach Augsburg überführen zu lassen. Aus der ehemaligen Benediktinerabtei Irsee stammt, nach St. Ulrich und Afra und dem Jesuitenkolleg, der drittgrößte Bestand an Inkunabeln der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg. Den letzten Säkularisationsgewinn bildete 1835 die Bibliothek des Jesuitenkollegs und späteren Malteserklosters in Mindelheim.

Der Gesamtbestand der Vereinigten Königlichen Kreis- und Stadtbibliothek betrug nun über 100.000 Bände. Sichtung, geordnete Aufstellung und Erschließung dieser hereingeströmten Büchermassen waren die Hauptaufgaben der folgenden Jahrzehnte. Die bedeutendsten Bereicherungen nach den Säkularisationsgewinnen stellen zwei große Privatsammlungen dar, die im 19. Jahrhundert übernommen wurden und geschlossen aufgestellt sind: 1846 die ca. 10.000 Bände umfassende Bibliothek der Bankierfamilie Halder und 1875 die ca. 8.000 Bände zählende Bibliothek der Kaufmanns- und Patrizierfamilie von Stetten, deren Mitglieder im 18. Jahrhundert immer wieder hohe städtische Ämter innehatten. Von der Stadt Augsburg wurde 1893 für die kontinuierlich wachsende Bibliothek ein neues Gebäude an der Schaezlerstraße errichtet, in dem sie sich bis heute befindet.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das wertvollste Bibliotheksgut ausgelagert; es kam nach Kriegsende wieder heil zurück. Insgesamt hat die Bibliothek, die seit 1941 Staats- und Stadtbibliothek Augsburg heißt, die schweren Luftangriffe auf Augsburg ohne nennenswerte Verluste überstanden. Seitdem sind Pflege, Sammlung und Erschließung des reichen geschichtlichen Erbes Hauptaufgaben der Bibliothek geworden.

Die bis 2011 fast ausschließlich städtisch finanzierte Staats- und Stadtbibliothek Augsburg wurde Anfang Dezember 2012 verstaatlicht. Die Stadt Augsburg sah sich nicht mehr in der Lage, den laufenden Unterhalt dieser wissenschaftlichen Bibliothek, die auf die 1537 gegründete reichsstädtische Stadtbibliothek zurückgeht, und die dringend notwendigen Investitionen zu finanzieren. Der Freistaat Bayern wird das Bibliotheksgebäude in der Schaezlerstraße sanieren, damit die wertvollen Altbestände endlich sachgerecht aufbewahrt werden können, und Raum für den Zuwachs und die derzeit ausgelagerten Bestände schaffen. Die städtischen Bestände bleiben Eigentum der Stadt Augsburg und werden vom Freistaat Bayern als Dauerleihgabe wie seine eigenen Bestände mitverwaltet, so wie bisher die staatlichen Bestände von der Stadt verwaltet wurden. Der Name der Bibliothek, der zum Ausdruck bringt, dass die Bestände teils staatliches und teils städtisches Eigentum sind, wird beibehalten.

Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Hrsg. von Bernhard Fabian. Digitalisiert von Günter Kükenshöner. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.

Stand: April 1996 (aktualisiert 2012) Helmut Gier Edeltraud Prestel

Handbuch der historischen Buchbestände

Überarbeitet 2013 von Brigitte Schürmann und Helmut Zäh

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